Seite
Menü
Info
Sie sind hier:   Startseite > Geschichten > Graue Bärte

Graue Bärte

ADDA hieß das kleine Holzschiff und seine Besatzung war so richtig stolz auf es. In einem Buch über die Konstruktionen von Ole Endelein war sogar ein Foto von ADDA zu sehen, wie sie vor fast 30 Jahren unter stolz geschwellten Segeln irgendwo in den schwedischen Schären ihre Bahn zog.

Vor kurzem aber hatte sein Eigner, das Gesicht vom Alter mit einem grauen Bart gekröhnt, das Boot -wenn auch schweren Herzens- verkauft.

Tova war für ihn die richtige neue Eignerin, die zwar wenig eigene Erfahrung im Umgang mit alten Booten, aber offensichtlich die richtige Einstellung zum Leben auf solch einem Boot hatte..

Frisch strahlte das lackierte Holz des schlanken Rumpfes mit seinem kleinen Aufbau. Ein Doppelender mit angehängtem Ruder und recht wenig Freibord, von dem man ohne weiteres mit den Händen in das Wasser fassen konnte. Aber ein vollständiges Seeschiff.

Jetzt lag ADDA im Hafen von Rödvig.

Die beiden Seglerinnen hatten mit Hilfe des Sohnes der einen alle Sachen an Deck und auf den Steg gelegt.

Alles war nass.

ADDA zog durch die Planken erhebliche Mengen Wasser und musste immer wieder leer gelenzt werden.

" Das ist für Holzboote ganz typisch und nicht besonders aufregend ", so der Kommentar von anderen Männern mit grauen Bärten.

Die mussten das ja wissen, denn die grauen Bärte waren bestimmt ein Beweis für viele Jahre Segelerfahrung.

" Wir haben da früher immer nasse Decken oder Kartoffelsäcke rein gelegt, damit sich die Planken dicht ziehen!"

" Wir haben da ganz feine Holzspäne vom Tischler geholt und die dann ins Boot gekippt. Die haben sich zwischen die Plankenstöße gesetzt und so das Boot abgedichtet"!

Na ja, das half hier zwar auch nicht weiter, aber gut gemeint waren diese Ratschläge schon.

 

Und als im letzten Hafen der uralte Benzinmotor einfach nicht ausgehen wollte, war es ja auch ein Mann mit grauem Bart, der den guten Rat gab, doch einfach den Benzinhahn zu schließen, dann würde der Motor schon von ganz alleine stehen bleiben....

 

Das Rigg stand auch nicht so richtig; die Unterwanten waren viel zu lose und der Mast hatte einen Bogen nach vorne.

Wieder waren es die Männer mit den grauen Bärten, die ADDA zu einem sicheren Rigg verhalfen. Hier ein neuer Schäkel, dort eine veränderte Achterstagführung, die Mastbiegung wurde verändert, eine Lifeleine um den Aufbau geführt und von der einen Seglerin auch zugleich ausprobiert, indem sie sich in voller Montur einfach ins Hafenwasser fallen ließ und sich an der Lifeleine wieder ins Boot zog

Am nächsten Tag segelten die beiden weiter. Doch schon drei Stunden später war ADDA wieder im Hafen. Es waren doch zu viele Wellen draußen.

Die Männer mit den grauen Bärten hatten das schon vorausgesagt, aber Erfahrungen muss schon jeder selber machen. Und über die wurde abends bei einem Glas Rotwein gebührend geklönt.

Jeder der Männer mit den grauen Bärten hatte so seine mal guten und mal schlechten Erfahrungen gesammelt und dabei so manches graue Haar bekommen. Aber trotzdem segeln sie immer noch und sammeln immer noch weitere Erfahrungen.

 

Wochen später lag ADDA in ihrem Heimathafen in Schweden. Sie hatte die Ostseereise offensichtlich gut überstanden. Nur ein starker Geruch nach Benzin beunruhigte die Eignerin.

Und wieder war es ein Mann mit grauem Bart, der mit gutem Rat zur Seite stand.

" Die Schlauchschellen müssen nachgezogen werden, oder der Absperrhahn ist undicht".

Ein 17 er , nein besser ein 19 er Schlüssel muss her und schon .....

Jetzt tropfte es nicht mehr, jetzt lief das Benzin in Strömen .

Der Tank war einfach durch gerostet!

Und der war gerade frisch betankt worden. 20 Liter Benzin wollten schnell aufgefangen werden. Alle verfügbaren Plastikgefäße wurden als Auffanghilfe genutzt und waren doch zu wenig.

So wurde von einem anderen Boot ein großer Reservekanister geholt und alles Benzin umgefüllt.

Nachdem mit viel Spülmittel und endlosen Papiertüchern die " Schweinerei" beseitigt war, war auch der starke Benzingeruch verschwunden.

Das andere Boot lief am nächsten Morgen aus und ließ den Reservekanister zurück.

 

Nach Wochen klingelte an Bord das Telefon. "I have an own reservetank and will give back your tank" sagte eine Stimme.

Viele Häfen waren inzwischen angelaufen worden, aber am nächsten Tag wurde- nach vielen Kilometern Autofahrt- der Reservetank zurückgebracht.

 

Männer mit grauen Bärten aus Deutschland, Schweden, Dänemark, ja sogar aus Australien, hatten der neuen Eignerin von ADDA mit guten Ratschlägen und Hilfe zur Seite gestanden und sie hatte gelernt, das gute Seemannschaft und damit auch Hilfe unter Seglern selbstverständlich ist.

 

Der Voreigner mit dem grauen Bart hatte recht gehabt, das Boot an Tova zu verkaufen. Sie wird es in seinem Sinne weiter segeln und weitere Erfahrungen sammeln.

Mit ADDA und Männern mit grauen Bärten.

 

Powered by CMSimple | Template by CMSimple | Login