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Nebel

Sie saßen im Cockpitt und genossen die warmen Sonnenstrahlen des Spätsommermorgens. Der frisch gebrühte Kaffee dampfte in den Muggen und die im bordeigenen Backofen knusprig gebackenen Brötchen standen auf dem Frühstückstisch.

Zu dieser Jahreszeit waren die Sportboothäfen auf den dänischen Inseln nicht mehr sehr voll. Die Ferienzeit war vorbei und es herrschte Ruhe auf den wenigen Booten, die in Stubbeköbing zwischen den Schlengeln gemächlich vor sich hin schaukelten. Morgendunst lag über dem Wasser aus dem sich langsam die Silhouette der alten Fähre nach Bagö herausschälte.

Gestern noch hatte sie viel Wind aus West aus dem Smalandsfahrwasser hierher gespült und auch die ganze Nacht hindurch hatte es ein kräftiges Konzert in den Masten der Boote gegeben.

Doch gegen Morgen hatte es abgeflaut und nur noch wenige Wellen platschten gegen die Holzspundwände, die den Hafen gegen das offene Wasser schützten.

Ideales Segelwetter für den nächsten Schlag in Richtung Nord; längs Moensklint sollte der Kurs führen, Rödvig war als nächstes Ziel in den GPS eingegeben und die Seekarte für die Faksebucht lag auf dem Kartentisch bereit.

Auslaufen gegen 1100; Groß und Genua gesetzt und langsam glitt TAHEHA in die Fahrrinne. Herrliches Segeln zwischen den braunen abgeernteten Feldern und dunklen Waldflecken der nahen Ufer. Fast wie auf einem Binnenrevier. Richtung Ost waren am Horizont verschwommen die ersten Tonnen des Fahrwassers zu erkennen und die Ufer zu beiden Seiten des Grönsundes ver-schwammen im Dunst.

Die Aufbauten eines entgegenkommenden Kümos tauchten auf und verschwanden plötzlich wieder. Auch die Ufer und die Tonnen des Fahrwassers waren nicht mehr auszumachen.

Die Sonne versteckte sich im Dunst und es wurde schlagartig kühl.

Nebel!

Dick und undurchdringlich kroch er aus der offenen See in den Grönsund.

Die Sicht zu den Ufern, eben noch keine 50 Meter zu beiden Seiten als gute Orientierungshilfe vorhanden, war gleich Null. Von Irgendwo hörten sie ein Motorengeräusch; der Kümo ? Voraus oder schon auf gleicher Höhe ?

Der Wind war eingeschlafen und wie in dicker Watte lag TAHEHA ohne Fahrt im Fahrwasser.

Der Rudergänger konnte gerade noch den Bugkorb vor dem weißen Nichts erkennen.

Irgenwo auf Steuerbord Seite war es sehr flach, standen Stellnetze im und duckten sich große Steine unter Wasser.

Und irgendwo keine 2 Meilen voraus auf Bachbord Seite, lag der Fischereihafen von Harbölle. Klein, gemütlich, mit Platz für wenige Sportboote und vor allem sehr flach.

Der Motor wurde gestartet und mit ganz lansamer Fahrt glitt TAHEHA durch das Nichts. Vorsichtig wurde der Kurs aus dem Fahrwasser hinaus gelegt und zwei Augenpaare versuchten angestrengt Hinweise auf das Ufer zu finden. Nichts!

Die Fahrt wurde immer langsamer; die Geräusche des Motors wurden unrund und am Heck zogen leichte Dampfschwaden über das Wasser. Ein Blick über den Heckkorb zeigte eine „Wiese „ von Seegras, die sich hinter dem Servoruder der Selbststeueranlage verklemmt und auch die Schraube mit einer dicken Wuhling eingewickelt hatte.

Der Grönsund machte seinem Namen alle Ehre! Es war schon etwas Arbeit um mit dem Bootshaken das Anhängsel zu entfernen. Aber dann fuhr TAHEHA ohne Probleme weiter durch die „Brühe„ gen Nord.

Plötzlich waren Stimmen und Hundegebell zu hören. Wie in Watte dämpfte der Nebel alle Geräusche und machte eine Orientierung verdammt schwer. Irgendwo dort mußte das Ufer sein, die Hafeneinfahrt liegen. Doch zu sehen war nichts.

Leider war bei der letzten Reparatur von TAHEHA der Echolotgeber ausgebaut und nicht wieder ersetzt worden. Und ohne Echolot, bei wenig Sicht, in sehr flachem Wasser, eine nicht sichtbare unbekannte Hafeneinfahrt zu finden, war schon ein wenig spannend.

Rufen ? Hinweise von den Menschen erwarten, die sich da irgendwo am Ufer unterhielten ? Lieber nicht, denn vielleicht gibt es auch hier Witzbolde, die auf die Frage nach dem „ wo sind wir hier ?“ als Antwort „ na auf dem Wasser ! „ geben könnten.

Also weiter angestrengt nach dem Ufer Ausschau halten und mit kleiner Fahrt in Richtung auf die unsichtbare Hafeneinfahrt.

Keine 5 Meter vor dem Bug wurden die Umrisse großer übereinander gestapelter Felsbrocken sichtbar, dann eine Backbordtonne und dann glitt TAHEHA dicht an einem Holzsteg vorbei in den Hafen. Schemenhaft waren die Umrisse einer Mole zu erkennen und in einer Ecke direkt neben der Einfahrt wurden die Leinen belegt.

Von den geplanten 45 Meilen hatten sie in 4 Stunden gerade mal 5 zurückgelegt.

Also noch ein Hafentag. Im kleinen Hafen-Imbiss wurden leckere Harbölle Burger gekauft und bei einem kleinen Spaziergang im Nebel gleich wieder abgearbeitet.

Mit Lesen, Kreuzworträtselraten und Gesprächen ging der Tag langsam zur Neige.

Wie unscharfe Leuchtkugeln schwammen die wenigen Lampen in der Dunkelheit über dem Hafenbecken; wie durch Watte waren die gedämpften Umgebungsgeräusche wahrzunehmen.

Und dann war da im Nichts ein schwaches rotes Licht zu erkennen. Und dicht daneben ein grünes.
Positionslampen! Ganz dicht vor der Hafenmole; zu dicht an den Felsen.

Der Skipper brüllte aus Leibeskräften „wahrschau!!! Weg von der Hafenmole!“ Mit einem starken Scheinwerfer versuchte er die gegenüberliegende Mole zu beleuchten.

Ein Motor, auf volle Fahrt zurück gestellt, heulte auf und die Positionslampen verschwanden wieder im Nebel.

Der Skipper kletterte auf die Felsen der vielleicht 5 Meter schmalen Einfahrt und versuchte mit seinem Scheinwerfer dem unbekannten Boot die Felsen zu beiden Seiten auszuleuchten.

Wieder war Motorengeräusch zu hören, wurden die Positionslampen eines Sportbootes sichtbar, die ganz langsam auf die Einfahrt zu kamen. Im Bug war schemenhaft eine Figur zu erkennen, die offensichtlich dem unsichtbaren Rudergänger Anweisungen zu rief.

Langsam glitt das Boot in den Hafen und machte im Dunst gegenüber an einem Steg fest.

Und dann lag Ruhe über dem Hafen

Am nächten Morgen strahlte die Spätsommersonne von einem wolkenlosen Himmel. TAHEHA lag als einziges Sportboot in dem kleinen Fischereihafen. Der gegenüberliegende Steg war leer.

.

Monate später, TAHEHA war nach längerer Reise wohlbehalten wieder in ihrem Heimathafen angekommen, lag eines Tages das Logbuch des Flensburger Segelvereines in der Post. In einer Reisebeschreibung wurde da einem unbekannten Segler gedankt, der einer Crew beim abendlichen Einlaufen in einen kleinen Fischereihafen im Grönsund bei dichtem Nebel durch sein beherztes Eingreifen einen Totalschaden auf den Felsen der Hafenmole verhindert hatte.

 

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